Entwicklung von Gesamtwirtschaft und Branche
Nach robuster Expansion in den Pandemie-Folgejahren 2021 und 2022 und vor dem Hintergrund hoher Lebenshaltungskosten, schwacher Auslandsnachfrage und einer strafferen Geldpolitik hat die europäische Wirtschaft laut Europäischer Kommission an Schwung verloren. In ihrer Herbstprognose erwartet die Kommission für das Jahr 2023 ein BIP-Wachstum von 0,6 % in der EU und im Euroraum. Für die Zukunft wird mit einer leichten Erholung der Wirtschaftsaktivitäten gerechnet, da sich der Verbrauch aufgrund eines immer noch robusten Arbeitsmarkts, eines anhaltenden Lohnwachstums und einer weiteren Abschwächung der Inflation erholt. Angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen ist die deutsche Wirtschaft laut Schätzung des Statistischen Bundesamts (Destatis) im Jahr 2023 gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,3 % gegenüber dem Vorjahr geschrumpft. Damit setzte sich, so Destatis, die Erholung vom tiefen Einbruch im Corona-Jahr 2020 nicht weiter fort. In Schweden sank das BIP im Jahr 2023 laut Konjunkturinstitutet um voraussichtlich 0,2 %. Die schwedische Wirtschaft ist nicht ausgelastet, und die Produktionslücke dürfte sich 2024 noch vergrößern. In Österreich schrumpfte das BIP laut WIFO voraussichtlich um 0,8 %. Inflationsbedingt gesunkene Realeinkommen und eine weltweite Industrieschwäche belasten die Konjunktur. Für 2024 wird ein BIP-Wachstum von 0,9 % in Deutschland (IfW Kiel), 1,0 % in Schweden (Konjunkturinstitutet) und 0,9 % in Österreich (WIFO) erwartet.
Laut Bundesagentur für Arbeit waren auch auf dem deutschen Arbeitsmarkt Auswirkungen der schwachen Konjunktur sichtbar. Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung (ohne Kurzarbeit) stiegen im Jahresdurchschnitt an. Gleichzeitig nahm aber auch die Erwerbstätigkeit leicht zu. Die Arbeitslosenquote auf Basis aller zivilen Erwerbspersonen stieg im Jahresdurchschnitt 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 0,4 Prozentpunkte auf 5,7 %. In Schweden betrug die Arbeitslosenquote laut Konjunkturinstitutet im Jahr 2023 voraussichtlich 7,7 %, rund 0,2 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. In Österreich lag die Arbeitslosenquote nach nationaler Berechnung laut Arbeitsmarktservice bei 6,4 % und damit nur 0,1 Prozentpunkte höher als im Vorjahr. Im Jahresdurchschnitt 2024 wird eine Arbeitslosenquote nach jeweils nationaler Definition von in Deutschland 5,8 % (IfW Kiel), in Schweden 8,4 % (Konjunkturinstitutet) und in Österreich 6,4 % (WIFO) erwartet.
Die Inflation hat sich im Laufe des Jahres 2023 wieder abgeschwächt, nachdem es im Jahresverlauf 2022 unter dem Druck der Energie-, Lebensmittel- und anderer Rohstoffpreise noch zu einem spürbaren Anstieg kam. Gemessen am jeweiligen nationalen Verbraucherpreisindex (VPI), lag die Inflationsrate gegenüber dem Vorjahr, laut Zahlen der nationalen statistischen Ämter, im Jahresdurchschnitt bei voraussichtlich 5,9 % in Deutschland, 8,5 % in Schweden und 7,8 % in Österreich. Für das Jahr 2024 wird erwartet, dass sich der Preisauftrieb weiter abschwächt und die Inflationsraten niedriger ausfallen. Als Preisdämpfer werden unter anderem für Deutschland die rückläufige Preisentwicklung für Energie, Nahrungsmittel sowie Kerngüter genannt, für Schweden die gesunkenen Energie- sowie Rohstoffpreise und für Österreich günstigere Treibstoffpreise. Nach jeweils nationaler Definition wird ein VPI-Anstieg von in Deutschland 2,3 % (IfW Kiel), in Schweden 2,9 % (Konjunkturinstitutet) und in Österreich 4,0 % (WIFO) erwartet.
Mit der Absicht, die zeitnahe Rückkehr der Inflation zum mittelfristigen 2 %-Ziel zu erreichen, erhöhte die Europäische Zentralbank (EZB) im Jahr 2023 den Leitzins weiter in mehreren Schritten, zuletzt im September 2023 auf nun 4,50 %. Der Zinsanhebungszyklus dürfte laut IfW Kiel zu einem Ende gekommen sein. Aufgrund der hohen Inflationsrate erhöhte auch die Schwedische Reichsbank die Policy Rate seit Jahresbeginn in weiteren Schritten, zuletzt im September 2023 auf 4,00 %. Die Policy Rate könnte laut Konjunkturinstitutet ab Sommer 2024 wieder sinken. In diesem Umfeld lagen die Bauzinsen in Deutschland, Schweden und Österreich im Mittel im Jahr 2023 höher als im Vorjahr. In Deutschland zeichnete sich zum Jahresende wieder ein leichter Rückgang der Bauzinsen ab.
Das Zinsumfeld belastet die Immobilienmärkte. Die Märkte für Wohneigentum begannen bereits im Jahresverlauf 2022 sich abzukühlen und der Wohninvestmentmarkt ist durch Preisfindungsprozesse und niedrige Transaktionszahlen bestimmt. Dennoch sind die fundamentalen Rahmenbedingungen am Wohnungsmarkt in Deutschland laut Savills aus Sicht von Investoren sehr attraktiv. Der zinsinduzierten Preiskorrektur im abgelaufenen Jahr wirkt die sich kurzfristig weiter verschärfende Angebotsknappheit entgegen. Am Mietwohnungsmarkt dürfte sich die Lage aus Nutzersicht weiter anspannen, die meisten Eigentümer können mit weiterem Mietwachstum rechnen. Die Nachfrage wächst hier laut bulwiengesa auch aufgrund der Umlenkung von potenziellen Käufern in den Mietermarkt. Deutschlandweit stiegen die inserierten Mieten weiter an und lagen laut empirica im Durchschnitt aller Baujahre im 4. Quartal 2023 um 5,7 % (Neubau 5,6 %) höher als im Vorjahresquartal. Laut DB Research dürften die Neuvertragsmieten im laufenden Jahr um etwa 5 %, die Mieten bei bestehenden Verträgen um ca. 2,2 % wachsen. Nach Angaben des SCB stiegen die Mieten in Schweden 2023 im Durchschnitt um 4,1 %. Erste Daten von Hem & Hyra, der Mitgliederzeitung des schwedischen Mieterverbands (Hyresgästföreningen), aus den Mietverhandlungen für das Jahr 2024 deuten auf einen weiteren kräftigen Anstieg der Mieten hin. In Österreich stiegen die Mieten (inklusive Neuvermietungen) laut Statistik Austria im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr um 7,9 %. Frei vereinbare Mieten dürften hier laut RE/MAX nachfragebedingt auch 2024 steigen.
Die Kaufpreisdynamik kühlte sich im Jahresverlauf 2022 in Deutschland, Schweden und Österreich spürbar ab. Der Preisrückgang setzte sich in Deutschland auch im Jahr 2023 im Allgemeinen fort. Der empirica Preisindex für Eigentumswohnungen (alle Baujahre) lag zum 4. Quartal 2023 um 5,5 % niedriger als im Vorjahreszeitraum. Im Neubausegment lag der Preisindex, dank einer leichten Erholung ab der Jahresmitte, im 4. Quartal 2023 um 0,2 % höher als im Vorjahreszeitraum. DB Research geht davon aus, dass die Marktbereinigung bald abgeschlossen ist. Die Preise für Mieter-Eigentümer-Wohnungen in Schweden („Bostadsrätter“) lagen laut Svensk Mäklarstatistik im Dezember 2023 1,4 % höher als im Vorjahreszeitraum. Nach einer sichtlichen Erholung der Preise zu Jahresbeginn 2023 setzte im letzten Quartal des Jahres jedoch wieder ein Rückgang ein. Die Experten der Swedbank gehen davon aus, dass die Preise für Wohnimmobilien in der ersten Hälfte des Jahres 2024 ihren Tiefpunkt erreichen werden. Der Wohnimmobilienpreisindex der Österreichischen Nationalbank (OeNB) auf Basis neuer und gebrauchter Eigentumswohnungen sowie Einfamilienhäuser in Österreich zeigt für das 3. Quartal 2023 einen Rückgang um 2,9 % gegenüber dem Vorjahr. Gemessen an den Steigerungen gegenüber dem jeweiligen Vorquartal, fielen die Preise für Wohnimmobilien im 4. Quartal 2022 um rund 2 %. Im 1. bis 3. Quartal 2023 verlief der Rückgang dann mit zwischen -0,2 % und -0,4 % deutlich gedämpfter. Der Preistrend bei Wohneigentum in Österreich zeigt laut RE/MAX für 2024 zunächst nach unten.
Die Bevölkerungszahl in Deutschland, Schweden und Österreich ist 2023 voraussichtlich erneut gestiegen und dürfte weiter wachsen. Es fehlt in vielen großen Städten und Metropolregionen nach wie vor an Wohnungen. Indessen wird ein Rückgang der Bautätigkeit erwartet. Die aktuelle Mischung aus hohen Baupreisen und gestiegenen Zinsen zeigt spürbar Wirkung. Nach Schätzungen des GdW dürften im Jahr 2023 in Deutschland nur 242.000 Wohnungen fertiggestellt worden sein, im Vergleich zu 295.000 im Jahr 2022. Für 2024 könnte die Zahl auf 214.000 sinken. Die Bundesregierung hatte sich das Ziel von jährlich 400.000 neuen Wohnungen in Deutschland gesetzt. Das in den kommenden Jahren sinkende Neubauvolumen bedeutet laut JLL insbesondere für die Mietwohnungsmärkte eine weitere Verschärfung des Nachfrageüberhangs. Laut Schätzung von Boverket müssen in Schweden bis 2030 jährlich etwa 67.000 Wohnungen neu gebaut werden, 2023 wurden voraussichtlich rund 60.000 Wohnungen fertiggestellt. Die Zahl der Fertigstellungen werde, so Boverket, im Jahr 2024 auf rund 40.000 Wohnungen und 2025 rund 25.000 Wohnungen fallen. Damit wird der jährliche Zusatzbedarf nicht gedeckt. In Österreich ist laut OeNB das Ende eines ausgeprägten Wohnungsbauzyklus zu beobachten. Hier hat der Wohnungsbau laut Bank Austria in den letzten Jahren dem stark gestiegenen Bedarf an Wohnraum Rechnung getragen. 2023 und 2024 wird die Wohnbauleistung deutlich schrumpfen. Zwar sollte der Bedarf mit der erwarteten Neubautätigkeit mengenmäßig weitgehend gedeckt werden; ob auch der Nachfrage in allen Segmenten, insbesondere dem preiswerten Wohnraum, entsprochen wird, bleibt laut Bank Austria aber offen.
Aufgrund der Kombination aus höheren Zinsen, ungünstigeren Finanzierungsbedingungen und gestiegenen Baukosten befindet sich der Wohnungsbau in allen drei Ländern in einer schwierigen Phase. In Deutschland hatte zudem der Bund die Neubauförderung reduziert und die Neubaustandards Anfang 2023 verschärft. Hinzu kommt die wohnungspolitische Unsicherheit, nachdem Ende 2023 der Nachtragshaushalt 2021 für rechtswidrig erklärt wurde und deshalb der Bundeshaushalt 2024 neu verhandelt werden muss. In Schweden wurde die Investitionsförderung für Mietwohnungen nach 2022 gestrichen. Neubauentwicklungen sind bei den derzeitigen Bedingungen wirtschaftlich kaum noch darstellbar.
Der deutsche Wohninvestmentmarkt zeigte sich im Jahr 2023 verhalten. Das Transaktionsvolumen betrug laut CBRE 5,7 Mrd. €, lag 59 % niedriger als im Vorjahr und war das geringste Transaktionsvolumen seit 2011. Als Hauptgründe für die geringe Dynamik werden die Differenz der Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern genannt sowie die auf das Gebäudeenergiegesetz (GEG) folgenden Unsicherheiten und der damit verbundene Vertrauensverlust der Investoren. Seit Ende 2022 stiegen die Spitzenrenditen in den Top-7-Städten nach Angaben von CBRE um fast 80 Basispunkte auf 3,34 % an. CBRE rechnet für 2024 mit einem anziehenden Wohntransaktionsmarkt und etwa 8 Mrd. € Investitionsvolumen. Als Treiber dafür werden zum Beispiel die weiter andauernden Portfoliobereinigungen börsennotierter Wohnungskonzerne sowie die Refinanzierungslücke spätzyklischer Investoren genannt. Am schwedischen Transaktionsmarkt wurden laut Colliers im Jahr 2023 segmentübergreifend Immobilien im Wert von 7,8 Mrd. € gehandelt, etwa 59 % weniger als im Vorjahr. Gemessen am Umsatz bildeten Wohnimmobilien mit einem Anteil von 23 % (2022: 28 %) das zweitgrößte Segment nach Logistik. Laut CBRE verzeichnete der österreichische Immobilieninvestmentmarkt im Gesamtjahr 2023 segmentübergreifend ein Transaktionsvolumen von rund 2,9 Mrd. €, gut ein Drittel weniger als im Vorjahreszeitraum. Der Anteil des Segments Wohnen betrug nur 9 %.
Zu den wohnungspolitischen Entwicklungen im Jahr 2023 und zu Jahresbeginn 2024 gehören in Deutschland zum Beispiel Änderungen am GEG. So wurde zum Jahresbeginn 2023 im Neubau das zulässige Primärenergieniveau verschärft. Am 1. Januar 2024 trat eine Novelle in Kraft, die darauf abzielt, den Anteil erneuerbarer Energien im Heizungssystem zu erhöhen und Emissionen zu reduzieren. Bei der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) kam es ebenfalls zu Reformen: Seit Jahresbeginn 2023 gelten neue Bedingungen bei der Sanierung zum Effizienzhaus-Standard und für Einzelmaßnahmen. Seit dem 1. März 2023 gibt es eine Förderrichtlinie für klimafreundlichen Neubau; klimafreundliche Gebäude mit Standard Effizienzhaus 40 werden mit günstigeren Krediten gefördert. Allerdings waren im Dezember 2023 die Fördermittel ausgeschöpft. Anträge sollen wieder möglich sein, nachdem der Haushalt 2024 in Kraft ist. Zum 1. Januar 2024 trat auch die neue Richtlinie BEG – Einzelmaßnahmen in Kraft. Sie fördert den Austausch fossiler gegen klimafreundliche Heizungen mit einem Investitionskostenzuschuss. Ein Gesetz zur Aufteilung der CO2-Kosten zwischen Vermieter und Mieter trat zum 1. Januar 2023 in Kraft, zudem erhöhten sich mit Beginn 2024 die Kosten pro Tonne emittiertem CO2. Der lineare AfA-Satz zur Abschreibung von Wohngebäuden wurde zum 1.1.2023 von 2 % auf 3 % angehoben und gilt für ab Januar 2023 fertiggestellte Wohngebäude. Eine geplante degressive AfA für Wohnungsneubau im Rahmen des Wachstumschancengesetzes wurde vorerst vertagt. Eine im Dezember getroffene Einigung zur Reform der EU-Gebäuderichtlinie sieht unter anderem die Senkung des Energieverbrauchs bei Wohngebäuden vor. Die EU verzichtet dabei auf eine Sanierungspflicht für schlecht gedämmte private Wohngebäude. Der Einigung müssen die jeweiligen EU-Institutionen noch formal zustimmen. Eine vom Berliner Senat einberufene Expertenkommission kam Ende Juni 2023 zu dem Ergebnis, dass die Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen juristisch möglich sei. Der Berliner Senat geht nun in die Prüfung für ein Vergesellschaftungsrahmengesetz. In Österreich wurden zum 1. April 2023 die Richtwertmieten erhöht, eine Erhöhung der Kategoriemieten folgte zum 1. Juli 2023. Ab 2024 gilt ein Mietpreisdeckel, der die Erhöhung der Richtwertmieten, Kategoriemieten und Mieten bei gemeinnützigen Wohnungen begrenzt. Freie Mietverträge sind davon nicht erfasst.